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Wie viel Einfluss ist ok?

Letzten Monat wurde mein Vater 93. Am Tag davor war meine 3-jährige Großnichte bei mir zu Besuch. Wir beschlossen, ihm eine Geburtstagskrone zu basteln. Am Morgen sammelten wir Muscheln am Rhein und gingen anschließend in ein Bastelgeschäft. Dort kauften wir goldene Pappe und Sticker, die sie sich aussuchte. Schon bei diesem Kauf merkte ich, dass ich zumindest ein bisschen Einfluss nehmen wollte, welche wir nehmen. Das fand ich aber noch ganz ok, denn Paula hatte nur eine Sorte ausgesucht. Die anderen Sticker, die ich ihr vorschlug, fand sie außerdem auch toll.

Der eigene Anspruch

Vorab muss ich sagen, dass Paula oft bei mir gemalt hat und ich nie irgendetwas bewertet habe. Frei nach Arno Stern und seinem „Malort“-Konzept mache ich meist nur Bemerkungen zum lustigen Schwung der Linien oder dass ich die von ihr ausgewählten Farben schön finde usw. Bei der Krone war es anders. Nachdem ich die Zacken ausgeschnitten hatte, schnappte Paula sich schneller als ich gucken konnte, einen Stift und fing an, wilde Linien auf die Pappe zu malen. Mein erster Gedanke war: „Ach Mensch, jetzt ist sie schon versaut.“ Über den Gedanken war ich fast ein bisschen erschreckt. Das hinderte mich allerdings in der Folge erst einmal nicht, immer wieder in die Bastelei einzugreifen. Die Sticker hatte sie nur an eine Stelle geklebt, die Linien malte sie in einer einzigen Farbe, und überhaupt war die Krone so gar nicht, wie ich sie mir vorgestellt hatte.

Gelassen und selbstbewusst

Paula war schwer in ihrem Element. Auf meine – ich muss es gestehen – manipulativen Fragen wie z.B. „Möchtest du nicht auch mal andere Farben benutzen?“ oder „Meinst du nicht, es ist schöner, die Sticker über die ganze Krone zu verteilen?“ antwortete sie ganz ruhig nur mit einem „Nein“ und machte ganz gelassen weiter.

Wie peinlich

Als klar war, dass sie die Krone unbeirrt genauso gestaltet, wie sie es möchte, musste ich schmunzeln. Einmal über diese kleine starke Lady, die sich von mir so gar nicht beeinflussen ließ, zum anderen über mich selbst. Woher kam dieses plötzliche Bedürfnis, dass es „schön“ werden muss? Und zwar nach meinen Vorstellungen „schön“. Im Nachhinein habe ich mich gefragt, warum ich auf einmal so bewertend war. Vielleicht, weil es mein Vater war, für den wir die Krone machten? Oder weil der Rest der Familie sehen sollte, wie toll wir zusammen gebastelt haben? Ich weiß es nicht. Nachdem ich mir bewusst war, dass ich dauernd bewertete und dass ich das eigentlich nicht tun möchte, war auch meine Gelassenheit wieder da. Auf einmal konnte ich sehen, wie großartig sie schon Kreise mit Stickern kleben kann. Ich war im vollen Vertrauen, dass alles, was dieses Kind macht, zu einem tollen Ergebnis führen wird. Wichtig war doch nur, dass es ihr am Ende gefällt. Abgesehen davon ging es um die Geste, und wir mussten keinen Preis gewinnen.

Das Ende vom Lied

Paula überreichte ihrem Uropa abends die Krone, und er hat sich sehr darüber gefreut. Das einzige, was nicht gut gelungen war, betraf übrigens meinen kleinen Part dieser Bastelei: Ich hatte die Krone zu eng gemacht.

 

 

 

 

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