Faszination Atemtechnik
Ich bin immer wieder fasziniert davon, wie zuverlässig einfache Atemtechniken Blockaden im Coaching lösen. Du hilfst damit deinem Coachee über die schwierigen Klippen im Coaching, wenn er an Themen arbeitet, bei denen er wenig Kraft und Zuversicht spürt.
Atem und Denken sind verbunden
Den starken Zusammenhang zwischen Atem und Denken kannst du durch ein kleines Experiment selbst feststellen: Stell dir ein schwierige Rechenaufgabe. Während du rechnest, achte auf deine Atmung. Was passiert?
Genau, wenn du stark nachdenkst atmest du wahrscheinlich flach oder hältst sogar die Luft an. Oder anders herum: Versuche bewusst zu atmen, also deine körperliche Ein- und Ausatmung deutlich zu spüren, und rechne gleichzeitig etwas Anspruchsvolles. Schwierig bis unmöglich, oder? Und vielleicht stellst du dabei noch etwas fest, nämlich dass bewusstes Atmen dir hilft, dich zu entspannen (und möglicherweise hast du gerade gegähnt).
Atmen heißt, innerlich zu harmonisieren
Dabei bringt uns bewusstes Atmen nicht nur mehr Sauerstoff ins Blut, sondern es hilft viele körperliche und geistige Funktionen zu harmonisieren. Wir werden präsenter, wacher und können uns besser konzentrieren.
Im Coaching hilft das immens, um schwierige Prozesse zu meistern. Ein Beispiel: Fiona* (5.Klasse) kommt ins Lerncoaching, weil sie „besser in Mathe“ werden will. Es läuft einfach nicht bei ihr, obwohl sogar eine psychologische Testung zeigte, dass sie eigentlich gut in das Leistungsniveau ihrer Klasse passt. Doch nach 5 Minuten lernen und besonders bei Klassenarbeiten geht ihr Kopf „einfach zu“.
Die Körpersprache zeigt uns den inneren Energie-Pegel
Ich frage sie in der ersten Stunde, wieviel Energie sie gerade hätte. Sie sagt 7-8 von 10 und lächelt dabei. Ich schreibe eine anspruchsvolle Rechenaufgabe auf ein Blatt und zeige es ihr. Fast augenblicklich ändert sich ihre Körpersprache. Ihre Schultern sinken ab, eine tiefe Furche bildet sich auf der Stirn und sie hält den Atem an. Ich unterbreche direkt und frage sie, wieviel Energie sie jetzt gerade spürt. Sie holt einmal Luft und sagt 4-5. Sie lächelt nicht mehr. Das war eine völlig spontane, massive Reaktion und dabei saß sie nicht einmal vor einer Klassenarbeit. Aber genau das beobachte ich oft im Coaching. Coachees, die schlechte Erfahrungen mit dem eigenen Lernen gemacht haben, zeigen praktisch immer diese Reaktion, wenn sie unter Druck geraten. Coachees hingegen, die gute Erfahrungen gemacht haben, beschreiben das Gegenteil: bei Druck verspüren sie mehr Energie und Wachheit.
Mit dem Atem in einen besseren Zustand führen
Ich frage Fiona wie gut es mit dem Rechnen klappe und sie sagt, dass sie sich „quälend langsam wie in einem Zeitlupenfilm“ fühle. Ich mache mit ihr eine einfache Atemübung bis sie mit ihrer Energie wieder auf einer 8 ist. Jetzt bitte ich sie nochmal zu rechnen. Dieses Mal lächelt sie. Es geht viel leichter. „Die Zeitlupe ist weg“, sagt sie. Selbst als sie sich kurz verrechnet, setzt sie nochmal an und schafft es schließlich. Das wirkt fast wie Zauberei, doch es ist eigentlich ein ganz einfacher Zusammenhang: Geistige Anstrengungen fallen uns erheblich leichter, wenn wir uns bei guter Energie fühlen. Wir sind dann nicht nur wacher und konzentrierter, sondern wir fühlen uns auch zuversichtlicher.
Das Verknüpfen von Zustand und Thema
Es kann im Alltag viele Gründe dafür geben, warum jemand in einen schlechten inneren Zustand kommt. Vielleicht waren bei Fiona Misserfolge der Grund oder vielleicht hatte sie einfach nur immer in der 7. Stunde Mathe, wenn sie nur noch müde war. Schwierig wird es immer dann, wenn sich der schlechte innere Zustand über Wiederholungen mit einem äußeren Thema verknüpft. Bei Fiona war es Mathe. Sie hatte mehrfach die Erfahrung gemacht, dass sie in einem schlechten Zustand war, als sie versuchte Mathe zu lernen. In dem Fall kann eine Verknüpfung entstehen, die dann irgendwann nur noch heißt: Mathe = schlechte Energie. Und so brauchte ich ihr nur eine Aufgabe zu zeigen und sie reagierte fast automatisch mit einem schlechten Zustand.
Mit mehr Energie zu mehr Selbstvertrauen
Als ich das mit Fiona zusammen herausgefunden hatte, war es für sie ein richtiges Aha-Erlebnis. Von da aus konnten wir gucken, wie sie wieder in einen guten Zustand kommen konnte. Bewusstes Atmen war bei ihr äußerst wirksam. Mit jedem Mal lernte sie, ihre Fähigkeiten besser zu nutzen. Daraus entstand Selbstbewusstsein und die Zuversicht, dass sie es in der Hand hatte, ihren Zustand zu verbessern.
Es wird für mich immer ein großes Rätsel bleiben, warum das nicht zu den ersten Dingen gehört, die wir in der Schule lernen. Doch das Gute ist, dass es nie zu spät ist, das zu lernen.
*Name natürlich geändert